Liebe Leser!
Als bloggende Chemikerin freue ich mich sehr, meinen Weg zu einem etwas ungewöhnlichen "Chemie-Beruf" hier auf Chemie-Azubi.de vorstellen zu dürfen. Normalerweise schreibe ich nämlich auf www.keinsteins-kiste.ch Naturwissenschaftliches aus dem Alltag zum Staunen und Miterleben.
Aber was daran ist eigentlich "ungewöhnlich"? Dass ich mich nach langer Ausbildung an der Hochschule darauf verlege, für die Allgemeinheit im Internet zu schreiben? Oder vielmehr, dass ich tue, was mir liegt - meine Stärken und damit meine Leidenschaft lebe? Ich möchte euch erzählen, wie ich auf den Chemie-Blog gekommen bin - auf die Tätigkeit, die mich langfristig begeistert und erfüllt.
Und ich möchte euch zeigen, wie auch ihr eure ganz eigene solche Tätigkeit finden könnt. Denn so einzigartig jeder Mensch ist, desto einzigartig ist auch die Tätigkeit - ob Ausbildung, Arbeitsstelle oder Selbstständigkeit, die zu ihm passt.
Chemie im Blut und ein nicht ganz gerader Lebenslauf
Als Tochter eines Physikers geboren, erschien mir ein geradliniger akademischer Lebenslauf von klein auf wie selbstverständlich: Gymnasium, Abitur, (naturwissenschaftliches) Studium, akademische Laufbahn…
Im ersten Chemieunterricht in der 7. Klasse führt ein AHA-Erlebnis dazu, dass ich mein Herz unwiderruflich an die Chemie verlor - und meine Wahl für dieses Fach fürs Leben traf. Um des Friedens und der Vorräte verschiedener Haushaltsgegenstände willen lag Wochen später ein Chemiebaukasten unter dem Weihnachtsbaum, und Mama erduldete fortan, dass ich im Kellergeschoss des offenen Treppenhauses im Einfamilienhaus ab und an mit allen Nebenwirkungen experimentierte.
Nach der Schulzeit war ich schließlich froh, mit einem "nicht besonderen" Abitur endlich an die Uni zu kommen und keine lästigen "Nebenfächer" mehr besuchen zu müssen, die mir meinen Schnitt versauten (und meine Mutter war sicher erleichtert, dass ich damit endlich ein richtiges Labor zum Experimentieren hatte).
Das Schreiben lag mir schon damals
Das Schreiben lag mir schon damals: Ein typischer Kommentar des Assistenten (der neben diesem Job seine Doktorarbeit machte), der im Anfängerpraktikum unsere Protokollbücher korrigierte: "Was du schreibst ist wirklich super, nur leider viel zu viel (Wann soll ich das denn lesen?)…".
Nach der Zwischenprüfung wusste ich allerdings immernoch nicht genau, wohin mein wissenschaftlicher Weg mich führen sollte…aber dafür konnten wir im Hauptstudium im Wahlpflichtbereich verschiedene Disziplinen der Chemie etwas ausprobieren.
So bin ich dann auch gerne in den "Semesterferien" ins Blockseminar Biochemie gegangen - zumal mich molekulare Maschinen (Proteine), der Geheimcode der DNA und seine Übersetzung und die Abläufe in Lebewesen überhaupt ungemein faszinierten. Ein zweites AHA-Erlebnis hatte ich im zugehörigen Praktikum: Gewöhnlichen E.Coli-Bakterien lässt sich ein neues Gen einpflanzen, sodass daraus ein unter Schwarzlicht grün fluoreszierender E.Coli-Stamm gezüchtet werden kann! Und das Ganze unter simpelsten Bedingungen auf dem "Küchentisch": So einfach ist Gentechnik…und ich war sofort "infiziert". Damit hatte ich endlich eine vage Idee einer Richtung.
Die Genetik sollte es werden
Ein Hochschulwechsel und Umzug folgten - und mit der Freiheit der ersten eigenen Bude und dem Quereinstieg mitten im laufenden Studium auch der erste Knick im Lebenslauf: Plötzlich selbstständig und mit fachlichen Herausforderungen konfrontiert dauerte alles etwas länger… und ich lernte im Internet meinen heutigen Lebensgefährten, einen Schweizer, kennen. Schon bald lautete unser Plan: Sobald ich mit dem Studium fertig bin, ziehen wir in der Schweiz zusammen. Endlich ein Ziel vor Augen ging ich aller Schwierigkeiten zum Trotz meinen Weg, und je mehr Semester ins Land gingen, desto mehr drängte es mich danach, endlich fertig zu werden.
Und dann ergab es sich, dass mein Wunsch-Institut im Bereich Genetik, als ich mich für "meine" Disziplin und mein Thema für die Diplomarbeit entscheiden musste, wegen eines großangelegten Umbaus keine Diplomanden nehmen konnte. Und noch länger warten wollte ich nun wirklich nicht mehr. So nahm ich die Diplomarbeit im Institut meiner zweiten Wahl in einem Zellkulturlabor in Angriff - und erhielt so einen tiefen Einblick in die Welt der Tierversuche in der medizinischen Grundlagenforschung. Schlussendlich habe ich es geschafft.
Endlich: Diplom für Chemie in der Tasche
Mit dem Diplom in der Tasche ging es auf schnellstem Wege (das hieß, sobald wir eine Wohnung hatten) in die Schweiz. Und da war ich dann, im fremden Land am oberen Zürichsee, und brachte nicht den Biss auf, in einem Forschungsgebiet zweiter Wahl eine Doktorandenstelle zu erkämpfen, noch dazu an hoch renommierten Standorten wie der Uni Zürich oder der ETH.
Und ehrlich: Ganz tief in mir entsprach das auch nicht meinem Herzenswunsch.
Den entdeckte ich, als ich begann, Nachhilfestunden zu geben: Ich möchte mein Wissen über die spannende Welt der Naturwissenschaften weitergeben! Und wie praktisch: Hierzulande müssen Gymnasial-Lehrer einen vollwertigen Hochschulabschluss in ihrem Fach haben - die Lehrerausbildung gibt es obendrauf. Also schrieb ich mich neben dem Job für eben dieses Lehrdiplom ein, schnupperte in die Schweizer Klassenzimmer und bekam sogar ein kleines Unterrichtspensum.
Und jetzt? Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt: Vom Hinfallen und Aufstehen
Zunächst musste ich den Nachhilfe-Anbieter wechseln und erlebte im neuen Job eine regelrechte Bauchlandung. Obwohl sich mein damaliger neuer und nur kurzzeitiger Arbeitgeber in meinen Augen unmöglich benommen hatte, hinterliess dieses Erlebnis einen schwerwiegenden Knacks in meinem Selbstwertgefühl, in Folge dessen einige Monate später auch das Arbeitsverhältnis mit der Schule in die Brüche ging.
Aus der Traum von der Wissensvermittlung??
Macht das Lehramtsstudium jetzt überhaupt noch Sinn? Doch erst einmal durfte ich erfahren, dass solch eine Bauchlandung samt folgender Arbeitslosigkeit zuweilen ein Segen sein kann. So schickte mich das hiesige Gegenstück zur "Agentur für Arbeit" neben endlos arbeitsreichen Auflagen für die Auszahlung meiner Arbeitslosenversicherung in den üblichen "Standortbestimmungskurs" - zum Aufmöbeln der Bewerbungsunterlagen und Bewerbungscoaching, sagten sie - und um etwas ganz entscheidendes zu lernen, weiss ich heute besser: Ich habe mich selbst kennen und schätzen gelernt.
Gestatte: Das bist du!
Nehmt einmal Papier und Stift zur Hand und geht in euch - und notiert: Was könnt ihr besonders gut? Was liegt euch im Blut? Findet ihr in euren Fähigkeiten drei herausragende Stärken? Und was könnt ihr außerdem ganz gut?
Und dann notiert uhr eure drei größten Schwächen - seid ehrlich zu euch selbst - jeder Mensch hat welche! Was liegt euch ganz und gar nicht? Und was gehört zu euren nicht ganz so starken Disziplinen?
Wenn ihr Schwierigkeiten damit habt, insbesondere mit den Stärken, überlegt euch zuerst: Was sind die größten Erfolge, die ihr in eurem bisherigen Leben gehabt habt? Auch hier gilt: Jeder Mensch kann Erfolge vorweisen - messt eure Erfolge ganz allein an euch selbst! Und was waren eure grössten Misserfolge?
Von Erfolgen zu Stärken
Auf meiner Liste mit Erfolgen steht ganz zuoberst: Ich habe ein Hochschuldiplom. Das schaffe bei Weitem nicht jeder, sagt mein Vater. Und der muss es als Physik-Professor ja wissen. Aber ich habe es geschafft - und das, obwohl es mir zuletzt alles andere als leicht von der Hand gegangen ist. Und wie habe ich das geschafft? Ich habe mich mit viel Geduld meinen oft widerspenstigen Zellkulturen gewidmet und meiner Professorin diskutiert, und ich habe mit grossem Durchhaltevermögen gelernt, gearbeitet und immer wieder verbessert, bis schließlich alles passte.
Damit hatte ich dann schon zwei grosse Stärken für meine Liste, die ich auch in vielen anderen Lebensbereichen bestätigt fand. Ein weiterer Eintrag in meiner Stärken-Liste bezog sich auf meine Leidenschaft für das Schreiben.
Aber wozu das Ganze?
Im Kurs haben wir uns mit uns selbst, den eigenen Stärken und Schwächen beschäftigt, um erstere möglichst gewinnbringend "verkaufen" zu können und einen Job zu finden, der zu uns passt und in dem wir deshalb Erfolg haben und glücklich werden können.
Ein Job, der zu uns passt, ist nämlich eine Aufgabe, die unsere Stärken fordert und bei deren Bewältigung unsere Schwächen möglichst nicht zur Last werden.
…und es hat "zoom" gemacht: Wie ich zu Keinsteins Kiste kam
Mit aufpolierten Bewerbungsunterlagen - und noch viel wichtiger: mit klarem, aufpoliertem Selbstbild - war ich reif, etwas zu bewegen, mich zu engagieren, meine Stärken auszuspielen - kurzum: einen guten Job zu machen, der mich erfüllt.
Aber wie das so ist: Stellensuche funktioniert auch in der Schweiz nicht von heute auf morgen. Und im Studium war einmal mehr Warten auf das Verstreichen von Anmeldefristen angesagt. Und dann begegnete ich in einer Facebook-Gruppe zu einem völlig anderen Thema einer Bloggerin.
Bis zu jenem Tag waren Blogger, besser Bloggerinnen, in meinen Augen eine Variante von It-Girls, die mit Werbung für Luxusfirmen in ihren Web-Tagebüchern ihren extravaganten Lebensstil bestritten - also ganz weit weg von meiner Welt.
Dann jedoch sah ich mir die Website der erwähnten Facebook-Bekanntschaft an und fand einen bodenständigen Mama-Blog, bei dessen Lektüre ich die Freude der Autorin am Schreiben über ihre Herzensangelegenheiten - Familie und Kinder- förmlich spüren konnte. Und überdies hatte sie das alles selbst aufgezogen - Website, Inhalte, Netzwerk… ich war auf der Stelle verliebt. Und als ich bei der folgenden weiterführenden Lektüre über das Bloggen auf diese wichtigen Eigenschaften erfolgreicher Blogger stiess: Freude am bzw. Talent für das Schreiben, Geduld, und vor allen Dingen Durchhaltevermögen - stand mein Entschluss fest: Das mache ich auch.
Nun habe ich zwar keine Kinder, über die ich schreiben könnte, aber meine Leidenschaft ist schliesslich auch die Weitergabe von Wissen über die Naturwissenschaften, allen voran die Chemie - und der Neugier darauf. Und genau das tue ich seit dem Juni 2015 mit Keinsteins Kiste.
Was die Zukunft bringen soll
Seither sind 16 Monate vergangen, und die Leidenschaft hat nicht nachgelassen. Im Gegenteil: Ich möchte den Blog und das eigenständige Arbeiten nicht mehr missen - auch wenn ich fast zeitgleich mit dem Launch von Keinsteins Kiste einen wunderbaren Nebenjob gefunden habe. Und Pläne habe ich reichlich.
Da sich Begeisterung am besten über möglichst viele Sinne gleichzeitig vermitteln lässt, möchte ich die Kiste neben der spannenden "Theorie" künftig noch mehr mit Anregungen zum Mitlesen, Mitexperimentieren und Miterleben füllen, und das alles mit dem verbinden, was ich sonst noch am besten kann: Mein Wissen und Können in persönlicher Atmosphäre direkt an meine Schüler weitergeben.
So wird Keinsteins Kiste Teil meiner neu gegründeten Existenz werden und meinen Nachhilfe-Schülern - offline wie bald auch online - in der Lernkiste Degen einen Einblick geben, wie spannend Chemie und die anderen Naturwissenschaften über die Schulbank hinaus sein können. Und meine nächsten Ziele sind, dass zum Blog nicht nur ein Buch erscheint, sondern dass Keinsteins Kiste eines Tages als Experimentier- und Erlebnis-Event für alle lebendig wird.
Und was habt ihr notiert? Was sind eure persönlichen Stärken? Welche Pläne und Ziele habt ihr?